Wir werden an der Grenze in Chuy äusserst freundlich empfangen und mit vielen Touristenbroschüren versorgt, was immer sehr praktisch ist. Überall wo wir in den nächsten Tagen hinkommen, fällt uns diese ruhige, zuvorkommende Art der Uruguayos auf – man muss sich hier einfach wohlfühlen!
Als erstes besuchen wir das Fort von Santa Teresa, mit dem sich die Portugiesen im 18. Jahrhundert gegen die Spanier in Buenos Aires abgrenzen wollten. Die gesamte Küste wurde hart umkämpft und immer wieder trifft man auf Befestigungsanlagen – die meist von der einen Seite auf- und von der gegnerischen schliesslich fertiggebaut wurde, so wie auch diese hier. Uruguays Geschichte ist geprägt von den wechselnden Machteinflüssen der Spanier, Briten und Portugiesen; heute dient es quasi als Pufferstaat zwischen Argentinien und Brasilien und hat sich nach einer düsteren Diktaturperiode Mitte – Ende letzten Jahrhunderts zu einem souveränen Einwanderungsland entwickelt mit einem starken Agrar- und Bankensektor (die Schweiz lässt grüssen…).
Wir übernachten gleich hier in diesem zu einem riesigen – jetzt aber leeren – Campingplatz umfunktionierten Nationalpark am Meer. Und treffen bei den Verwaltungsbüros auch gleich auf unsere ersten Overland-Reisenden seit vielen Wochen… es ist ein deutsches Ehepaar mit einem MAN-Laster, gerade frisch angekommen mit dem letzten Grimaldi-Fähr-Schiff und wir verbringen einen gemütlichen Abend zusammen.
Die nächsten Tage tuckern wir gemütlich der urugayischen Küste entlang Richtung Süden, machen immer wieder Abstecher in die kleinen Strandorte, die jetzt im Winter fast völlig verlassen sind. Es bläst ein eisiger Wind und trägt uns immer wieder schwere Wolken entgegen – eher eine ungemütliche Jahreszeit an der Küste!
Am Trostlosesten erscheint uns dann der berühmte Schicki-Badeort Punta del Este, wo die vielen leerstehenden und verschlossenen Villen und Hochhäuser auch nicht gerade zum Bleiben einladen. Schnell haben wir die wichtigsten „Sehenswürdigkeiten“ ab
gehakt und fahren weiter zur nächsten Landzunge „Punta Ballena“, wo der Künstler Carlos Paez Vilaro das sehr eigenwillige Ferienhotel Casapuelo erbaut hat, das zugleich als Museum dient. Sein Stil beeindruckt mich sehr und erinnert mich an die verschiedenen Hundertwasserhäuser in Europa.
Von hier ist es nun nicht mehr weit bis zum „Paraiso Suizo“ von Sylvia und Heinz, wo wir unser Auto während unserem mehrmonatigen Schweiz-Aufenthalt ein-stellen wollen. Die zwei kommen aus dem Seeland und haben früher in Grenchen die Flugschule geführt, waren Stammgäste in unserem Nachbarort – da haben wir natürlich viele gemeinsame Bekannte und viel zu erzählen…! Aber all dies kristallisiert sich erst nach und nach heraus – erst mal werden wir ganz einfach sehr herzlich auf ihrem Campingplatz empfangen und verbringen etliche gemeinsame Abende zusammen. Für uns umso schöner als wir fast die einzigen Gäste sind und das Wetter definitiv nicht mehr zum Draussensitzen ist.
Als sich wieder eine Regen-Kaltfront ankündet, können wir uns doch noch mal losreissen und fahren quer durchs regennasse Land zu den heissen Thermen von Arapey, ganz im Nordwesten gelegen. Unterwegs treffen wir an einem Übernachtungsplatz bei Paso de los Toros zufällig auch noch auf die französische Camperfamilie, mit denen wir in Brasilien vor drei Monaten ein paar Tage zusammengestanden sind… die Welt ist ein Dorf!
Der Nordwesten Uruguays ist reines Agrarland, riesig und menschenleer und auch die kleinen und grösseren Städte sind nicht auf Touristen eingestellt. Mehrmals versuchen wir vergeblich ein gemütliches Beizli oder Cafe zu finden, doch dies scheint es hier nicht zu geben. Ob die Einheimischen kein Bedürfnis dafür haben??
Über ziemlich aufgeweichte Schlammpisten erreichen wir schliesslich die Arapey-Thermen quasi durch den Hintereingang. Sie überzeugen uns nicht sonderlich, vielleicht liegt’s auch am scheusslich nass-kalten Wetter, aber uns ist es sogar im Thermalwasser noch zu kühl!
Nach zwei Tagen zeigt sich dann endlich die Sonne wieder und wir fahren nach Salto, wo die Dayman-Thermen wärmer sein sollen. Und wirklich: hier lässt sich’s aushalten!
Die nächsten zwei Tage fahren wir dem Rio Uruguay (der die Grenze zu Argentinien bildet) entlang Richtung Süden und passieren mehrere hübsche kleine Ortschaften und Weinanbaugebiete. Hier wird ein feiner Tannat gekeltert, der uns gut mundet.
In Fray Bentos besuchen wir das Industrie-Museum von Dr. Liebig und der Anglo-Company. Der deutsche Ingenieur Liebig hat hier Anfang 1900 die erste industrielle Bouillonfabrik aufgebaut, um damit die Heerscharen des ersten Weltkriegs zu ernähren. Diese wurde dann im zweiten Weltkrieg von der englischen Anglo-Fabrik übernommen und weiter ausgebaut. Hier befand sich eines der weltweit grössten Kühlhäuser und es wurden täglich(!) über 2’000 Tiere, vor allem Rinder und Schafe, geschlachtet und zu Brühe und Fleischkonserven eingekocht…
In den siebziger Jahren rentierte der Betrieb (mangels Kriegen??) nicht mehr und wurde einfach eingestellt. So leerte sich die Fabrik, die 4’000 Arbeiter zogen aus den eigens für sie erstellten Wohnquartieren weg und übrig blieben all die Maschinen, Büros und Gebäude, bis sie schliesslich Anfang dieses Jahrhunderts zu einem schauerlich-faszinierenden Museum umfunktioniert wurden. Hier stehen wir also quasi vor den Anfängen unserer heutigen Nahrungsmittelindustrie und ihrer Konzerne wie Nestlé puttygen ssh , Kraft und Unilever… Wie gesagt: schauerlich – faszinierend!
Ganz im Südwesten des Landes, dort wo der Rio Uruguay ins Meer fliesst und das Mar del Plata – mit Buenos Aires auf der gegenüberliegenden Seite – bildet, liegt Colonia del Sacramento. Früher eine von Portugiesen, Spaniern, Briten und Piraten heiss umkämpfte Stadt, konnte sie sich ihren historischen Kern bewahren und ist heute eines der attraktivsten Touristenziele des Landes. Schön hergerichtete Oldtimer zieren die Strassen und dienen als Aushängeschilder für gemütliche Beizli und Restaurants.
Vom Leuchtturm hat man eine Sicht, die an klaren Tagen bis zu den ersten Wolkenkratzern von Buenos Aires reicht.
Wir geniessen den Tag in diesem urigen Städtchen, entscheiden uns dann aber doch den Abend in Nueva Helvecia zu verbringen, einer Schweizer Kolonie auf halbem Weg nach Montevideo. Da Sonntagabend ist, hoffen wir auf eine gesellige Runde im Restaurante Suizo, wo wir mit unserem Auto auch campieren dürfen. Doch oh je – ausgerechnet am Sonntagabend ist das Restaurant geschlossen…
So bleibt uns nur die Rundfahrt durch den Ort, Kaffee und Kuchen in der Cafeteria und ein kleiner Käse- und Wursteinkauf.
Am nächsten Tag besuchen wir noch Montevideo, die Hauptstadt des Landes, die uns aber nicht sonderlich beeindruckt. Am Interessantesten finden wir das Gaucho-Museum in einem von aussen her unscheinbaren Stadthaus, das sich innen aber voller Prunk präsentiert. Auch gibt es uns eine Ahnung der traditionellen Gaucho – Kultur, die eigentlich die früheren Viehtreiber oder Cowboys waren. Über Land
sind wir noch ab und zu solchen „Caballeros“ hoch zu Ross begegnet, doch scheint es sich eher um eine aussterbende Rasse zu handeln…
Das Mittagessen gönnen wir uns dann in dem hübsch hergerichteten alten Markt im Hafengelände, wo gegrillt wird was das Herz begehrt. Feine Sache!
Schon bald sind wir wieder zurück im Paraiso Suizo, wo wir unser Auto fürs Überwintern hier noch ein wenig herrichten wollen. An einem schönen, aber eiskalten Morgen nehmen wir die Kabine vom Auto runter, reinigen es vom ganzen Staub und Dreck und montieren sie wieder, frisch abgedichtet.
Am 1. Juni fliegen wir für knapp 5 Monate zurück in die Schweiz, wo Kölbi seinen Dachdeckerbetrieb erfolgreich wieder aufstartet und ich mein Fussgelenk richten lasse, – leider bisher nur mit mässigem Erfolg, da ich weiterhin Schmerzen beim Belasten des Fusses habe.
Ende Oktober sind wir wieder zurück und freuen uns, dem Winter in Europa ein Schnippchen zu schlagen, da hier in Südamerika gerade der Frühling beginnt… hier in Uruguay herrschen sogar schon hochsommerliche Temperaturen über 30°C!
Wir richten uns wieder häuslich ein, werden von Sylvia&Heinz verwöhnt und lernen neue Mitreisende kennen. Nach dem Service am Auto im nahen Piriapolis, das sehr schön zwischen Hügeln am Meer liegt, wollen wir am darauffolgenden Morgen eigentlich losfahren. Doch – oh Schreck – unsere Engel-Kühlbox kühlt nicht mehr richtig… das kann ja nichts Gravierendes sein, denke ich, jetzt hat sie ja die letzten vier Tage einwandfrei funktioniert… Sylvia organisiert uns einen Termin beim örtlichen Kühltechniker, wir tippen alle auf fehlende Kühlflüssigkeit, doch er gibt uns den niederschmetternden Bescheid, dass es am Kompressor liegen müsse. Und so einen gibt’s hier natürlich nicht. Er gibt uns die Adresse von einem weiteren Kühlspezialisten in Montevideo, den wir am folgenden Tag gleich aufsuchen (leider auch erfolglos). Gleichzeitig mailen wir alle möglichen Leute an, um einen Ersatz zu bekommen, aber etwas wirklich Brauchbares, das unseren Anforderungen nur annähernd standhalten würde, scheint es erst in Bolivien oder Brasilien zu geben… also finden wir uns langsam mit dem Gedanken ab, in naher Zukunft halt mit gekauftem Eis zu reisen, als uns am Freitagabend (natürlich, denn übers Wochenende ist ja alles zu!) jemand den Tipp einer Firma in Montevideo gibt.
Da jetzt auch noch eine Regen-Kaltfront mit Sturm aufzieht, beschliessen wir halt noch ein paar gemütliche Tage hier im Paraiso Suizo anzuhängen. Zum Glück – denn so lernen wir die Luzerner Natascha & Michi kennen, die uns freundlicherweise ihre Waeco-Kühlbox verkaufen, da sie in drei Wochen ihren Landy nach Hause verschiffen werden. Danke!
So sind nun endlich all unsere Probleme gelöst (denken wir) und verabschieden uns endgültig vom Platz – oder zumindest bis nächsten März…
Unser erstes Etappenziel ist Colonia del Sacramento, von wo wir die Auto-Fähre nach Buenos Aires nehmen wollen. Doch im Hafen kriegen wir den Bescheid, dass diese momentan gerade nicht fahre, da sie beim letzten Sturm beschädigt wurde… also wieder einmal Planänderungen! Wir beschliessen uns nach Norden zu wenden, noch die Salzwasser-Thermen von Almidon zu besuchen und dann bei Salto über die Grenze nach Argentinien zu reisen. Durch schöne Gegenden fahren wir querbeet und bleiben zwei Nächte in Almidon, da ich mir wohl einen „Käfer“ eingefangen habe und gesundheitlich angeschlagen bin. Auf der Fahrt zu den Dayman-Thermen passieren wir eine landschaftlich sehr reizvolle Strecke mit alten Palmenbeständen, auf der ein Marktfahrer wohl seine Orangen nach und nach verloren hat – denken wir, denn alle paar Meter liegen die runden, leuchtend gelben Früchte an der Strasse… bis wir schliesslich all die Orangenplantagen sehen und einen dieser hochbeladenen Orangenlaster passieren, die in jeder Kurve ein paar der Dinger verlieren – worauf wir uns natürlich ein paar der süssen Früchte einstecken!
In den Dayman-Thermen ist es uns bei inzwischen fast 30°C Aussentemperatur in dem heissen Wasser schon zu warm, doch wir halten vergeblich nach den Kaltwasserbecken Ausschau… die sind nicht in Betrieb. Also baden wir nur kurz und machen uns am nächsten Tag auf zur Grenze, die – fast – reibungslos zu queren ist. Offensichtlich hat irgend ein Zöllner in Fray Bentos nämlich unser Autopapier bereits im September als ausgereist im Computer eingetragen… doch glücklicherweise beschliessen die hiesigen Zollbeamten nach einigem Hin und Her dies zu ignorieren, so dass wir trotzdem ausreisen dürfen!